Es sollte frueh los gehen, 08:30 war als Uhrzeit ausgemacht. Gegen 08:45 waren dann auch alle so weit, unser Guide Youri (auch Biggy genannt) tauchte allerdings erst so gegen 09:30 auf. Und hatte auch fuer fast alls Schlafsaecke und Isomatten dabei, Shaun ging leider leer aus, ich hatte zum Glueck meinen eigenen Schlafsack dabei. Wir verluden das Gepaeck in die zwei Safari-Wagen, die so ziemlich fuer jedes Gelaende geeignet waren. Wir waren insgesamt zu neunt: Die vier Amerikaner aus Kalifornien, Denis – eine Schweizerin, Gabrielle aus New York, ich selbst und die zwei Guides Youri und Gustavo. Youri war ein Aufschneider, klein und sportlich, die anderen hatten ihn angesprochen, als er einen Wasserfall stehend herunter surfte. Sein Kollege Gustavo war sehr viel ruhiger und von pech-schwarzer Erscheinung Er sprach kein Englisch, aber mit Haenden und Fuessen konnten wir uns verstaendigen. So erfuhr ich, dass er schon einmal in Deutschland gelebt hatte. Ich war hoechst verbluefft. Er war offenbar frueher ein passabler Fussballspieler gewesen und hatte in Emden in der Regionalliga Nord gespielt… so klein ist die Welt!

Nachdem wir mit den Jeeps beim Ausgangspunkt ankamen, teilte uns Youri ersteinmal mit, dass wir mehr Geld zahlen muessten, da wir ja zwei Autos benoetigten! Genau so was hatte ich befuerchtet und so stieg die Wut in mir auf. Mir hatte er nicht einmal etwas davon erzaehlt, dass wir fuer den Transport ueberhaupt extra hatten zahlen sollen. So harschte ich ihn etwas grob an, dass er uns solche Informationen VOR Antritt der Reise mitteilen muesse, und nicht erst, wenn wir bereits mitten in der Wildnis waren. Er kommentierte es nur abfaellig mit den Worten: “You have not asked me if it costs extra, you need to ask the right questions!” Da ging es dann mit mir durch und ich machte ihm klar, dass ich dafuer nicht bezahlen wuerde. Ausserdem gab ich ihm zu verstehen, dass ich ueberhaup keinen Cent in der Tasche hatte, was sollte ich damit auch mitten im Dschungel. So mussten wir dann schliesslich doch keinen hoeheren Preis zahlen und konnten unsere Reise antreten.
Die ersten 2 Stunden ging es ziemlich steil bergauf, es war bereits fast Mittag, die Sonne gluehte gnadenlos auf uns hernieder. Adela hatte mich gluecklicherweise noch davon ueberzeugt, mir am Abend vorher einen Hut zu besorgen. Eine Art Indiana Jones Hut, leicht, mit Winddurchlaessen um den Kopf herum, dazu noch eine Notfalllampe eingebaut, dieser rettete mir an diesem Tag das Leben. Kurz nach dem Mittag erreichten wir dann den Anfang des Flussbettes, an dessen Ende sich auch der Mochila Wasserfall befand. Wir machten an einem kleinen Wasserfall Rast und schwammen etwas im Wasserbassin, waehrend die beiden Guides sich um das Mittagessen kuemmerten. Bevor wir aufbrachen, rauchten die Guides noch fleissig ihre selbstgedrehten Zigaretten, von denen ein merkwuerdiger Geruch ausging und die fuer ein kontinuierliches grinsen auf ihren Gesichtern sorgten. Jetzt verstand ich, was Ari mit seinen Worten meinte: “Er nimmt seinen job nicht sehr ernst”…

Danach machten wir uns auf den Weg, das Flussbett entlang, das an den Seiten recht hoch war und daduch fuer angenehmen Schatten sorgte. Wir folten dem Flussverlauf eine gute Stunde, bis Youri dann verkuendete, wir muessten unsere Sachen jetzt hier deponieren, und nur noch mit Badesachen weitergehen – So etwas liebe ich ja, nicht die Tatsache, dass es so passiert, sondern dass es keine Informationen im Vorfeld ueber den Verlauf der Route gibt, so dass man sich haette eventuell darauf vorbereiten koennen… Da ich auf meine Kamera nicht verzichten konnte, sie aber durch meinen Rucksack geschuetzt wurde, liess Youri mich meinen Rucksack mitnehmen, ohne aber weiter auf die Gruende einzugehen, warum wir die Sachen da lassen sollten. Ich ging davon aus, dass es einfach nur um das Gewicht ging. Wir kletterten im Fluss weiter und sprangen zwischen den herausragenden Felsen hin und her, bis wir irgendwann an einem nicht zu ueberwindenden Becken ankamen. “Now time to swim”, sagte Youri grinsend. Auf meine Frage, ob ich mir den Rucksack beim Schwimmen auf den Kopf schnallen solle, antwortete er mir, dass er den Rucksack nehmen und an der Felswand entlang klettern wuerde! Die Waende bestanden aus scharfkantigen Klippen, die wie Schiefergestein in Schichten uebereinander lagen und immer wieder Vorspruenge boten.

Diesen Weg ohne professionelle Kletterausruestung zu beschreiten schien mir unmoeglich. Waehrend ich noch mit mir selbst rang, sah ich Gustavo bereits wie eine Spinne an der Wand entlang hangeln, er hatte bereits die Haelfte der Strecke hinter sich. Also vertraute ich ihm meinen Rucksack an und durchschwomm das kalte Wasser. Am anderen ufer beobachtete ich die beiden Guides, die tatsaechlich die Felsen entlang kletterten und heil auf der anderen Seite ankamen. Hut ab! Nach noch ein bisschen Klettern gab es ein weiteres Wasserbecken zu ueberqueren, was die beiden mit der gleichen Souveraenitaet meisterten. Die dritte und letzte Huerde vor dem Ziel war dann ein etwa zwei Meter hoher Wasserfall, den man nur durch das Wasser ueberqueren konnte. Gustavo kletterte als erster hinauf und befestigte ein Seil am oberen Ende, an dem wir uns festhalten konnten. Es war dennoch eine rutschige Angelegenheit, bei der groesste Vorsicht geboten war.

Danach hatten wir endlich das Ziel erreicht: in einem letzten grossen Becken sammelte sich das Wasser des Mochila Wasserfalls, der aus etwa 80 – 100 Meter Hoehe auf uns herabregnete. Es hatte den Anschein, als wuerde das Wasser geradewegs aus dem Himmel auf uns herabregnen, eine wahnsinnige Kulisse. So hatte sich der muehselige Weg und auch das Vertrauen in die unseriosen Guides am Ende doch gelohnt.

Nach dem wir die Szenerie ausgiebig genossen hatten machten wir uns wieder auf den Weg zurueck. Es war bereits nachmttag, wir hatten noch etwa zwei Stunden Sonne. Unser Nachtlager schlugen wir nahe des ersten Wasserfalls auf, an dem wir bereits am Mittag gegessen hatten. Allerdings richteten wir uns oberhalb des Wasserfalls, direkt im Flussbett fuer die Nacht ein. Waehrend die Guides ein Feuer entfachten und mit der Zubereitung des Abendessens begannen, sorgen die Amerikaner schon mal fuer die Getraenke. Waehrend ich meinen Rucksack in erster Linie mit ausreichend Wasser (6 Liter fuer zwei Tage) beladen hatte, hatten sie tatsaechlich zwei Flaschen Cachaca mitgenommen. Von den Vorraeten waren noch ein paar Ananas und Limetten uebrig, so dass wir uns ein paar improvisierte Caipirinhas mischen konnten. Nachdem auch die Guides ein paar Drinks genommen und weitere ihrer duftenden Zigaretten inhaliert hatten, dauerte es noch etwa 3 Stunden, bis das Essen dann auch endlich fertig war. Es gab Reis, Bohnensuppe und Faroffa, normalerweise als Beilage zu Fleisch und Salat serviert, aber wir waren derartig ausgehungert, dass wir es in uns hinein schaufelten. Danach wurden die Augen schnell kleiner und jeder suchte sich einen Platz zum Schlafen.
Am naechsten Morgen erwachte ich von der Sonne, die aber aufgrund der Berge um uns herum erst spaet am Firmament erschien. Entspannt standen wir auf, es gab tatsaechlich Kaffe, Broetchen mit Marmelade und noch etwas frisches Obst, das nicht dem Cachaca zum Opfer gefallen war. Alle waren bester Laune, die Amerikaner machten Musik, zu der Youri und Gustavo eine Capoeira Performance fuer uns gaben.

Gestaerkt brachen wir auf und machten uns auf den Heimweg. Unterwegs hielten wir nochmals an einem anderen Wasserfall, um uns etwas zu erfrischen. Wir mussten noch das ganze Stueck zuruecklaufen, welches wir auf dem Hinweg chauffiert wurden, es war ein muesehliger Weg. Wir liefen den ganzen Tag und endeten schon nahe dem Sonnenuntergang an dem Wasserfall, den wir alle kannten und der nahe (etwa 45 Minuten) von unserem Hostel entfernt war. Voellig erschoepft liessen wir uns ins Wasser fallen und entspannten die mueden Glieder. Die Guides machten noch ein letztes Pasta Gericht, bevor wir uns dann in der Dunkelheit an die letzte Etappe zum Hostel machten, wo Adela mich schon sorgenvoll empfing…
